From Sanaa to Ma'rib 

Jemen, 1987 

Peter Kammerer (Text)

Blick aus dem Fenster in eine Welt, deren Ursprung in den Wurzeln der Weihrauchbäume liegt. Der kahle Zweig eines Tages, Weihnachten 1987.
Die Kamera öffnet das Auge der Erinnerung. Kinder spielen in der Agonie der arabischen Welt. Beim Durchqueren eines Dorfes dieser Panzer.
Bilder von Landschaften, keine Architektur. Ein Begräbnisfeld, ein Tal, in dem hingeworfene Felsbrocken Konstellationen bilden. Steine am Kopf und an den Füßen des Toten ziehen die Linie nach Mekka. Nichts als die Autorität der Steine. Die Sprache der Dinge kennt keinen Widerspruch, schreibt Pasolini.
Der Jemen: „Das ganze Land ein System von Zeichen“. Die Himmelskörper sind Gottheiten. Wir sind auf dem Weg zum Mondtempel südöstlich der Stadt Ma’rib.

Mauer mit Schrift. Immer die alte Geschichte, mit Kalaschnikows geschrieben,
in Stein gemeißelt am Tempel von Almaqah in Sirwah:

Krbʾl Wtr, Sohn von Dmrʿly, mkrb von Sabaʾ, …
brachte zahlreiche Opfer dar … 
damit die Stämme dem Ruf zu den Waffen folgten,
einmütig im Tun dessen, was richtig war.
So dass jeder seine fruchtbare Ebene Rymn bewässern konnte,
und jeder ordnete Kanal nach Kanal und Feld nach Feld; …
Er nahm Hssm und Dʿrtm in Besitz, die Ebene von Mydʿm,
und das ganze Land voll der Wasserflut. …
Und dann verbrannte er Nqbtm und alle Städte von Mʿfrn … und dreitausend
tötete er und achttausend nahm er gefangen und verdoppelte ihren Tribut …
Und dann, als er Awsān brach und sechzehntausend massakrierte und
vierzigtausend gefangen nahm und Wsʾr von Lgʾtm bis Hmn plünderte …
bis er das Meer erreichte und alle Städte verbrannte, die am Meer lagen …

Und dann?

Auf dem Weg von Sanaa nach Ma’rib die Tankwagen. Unermüdliche Boten von Heil und Unheil. Was wird da gesponnen im ständigen Hin und Her zwischen den Gasvorkommen, Ölraffinerien, Tempeln und Häfen? Zerrissen das alte Band der Weihrauchstraße, der große Bogen von Dhofar bis Gaza („oh purpurner Saum von Gaza“), auf dem sich das weibliche und das männliche Prinzip der Weisheit begegneten, die Königin von Sabaa, die in einem Holz den Paradiesbaum und das Kreuz erkennt und Salomon in seiner Pracht. Nach dem Überqueren der Felsenlandschaften die ersten Zeichen von Ma’rib. Die alten Teile der Stadt sind nach einem Erdbeben verlassen. Der Krieg spült von überall Menschen in eine neue, flüchtige Stadt, die wenig weiter aus der Wüste wächst. 

Der Mondtempel mit seinen riesigen Stelen.
Nach der Katastrophe die Archäologie, die Wissenschaft der Spuren und Orakel.

Vom Mondtempel zur Öl- und Gasraffinerie
 

EXPLORING AND COLLECTING,
EMPIRE AND SCHOLARSHIP

Ways and detours of things
in the passage through space and time.
Dedication, transformation, alienation, dispossession,
forgetting, remembering, loss and reclamation.
Desert paths, mountain trails, sea routes, silk roads.
From here to there, once and now.
Traces and writing.
Shrines, temples, museums, archives.

Hartwig Fischer, 2021

Exploring and Collecting, Empire and Scholarship, A conversation between St John Simpson and Hartwig Fischer about the first objects from Yemen at the British Museum

A video by John Harding and Nick Harris
© The British Museum