Tana Toraja

Sulawesi, 1982/1983
 

Alles Sichtbare ist belebt und besitzt eine eigene Seele. Bestimmte Pflanzen können eine wichtige religiöse Rolle in den Zeremonien spielen. Aber die Belebtheit der Erscheinungen hat auch eine Kehrseite. Wie menschliche Partner lassen sie sich nicht einfach nach Willkür gebrauchen. Der Mensch muß in seinem Verhalten auf die Erscheinungen Rücksicht nehmen, er muß ihren Eigenheiten Rechnung tragen, und er darf sie nicht überfordern.
Bei der täglichen Arbeit bedingt dies das Befolgen vieler Tabus. Diese Tabus sind so zahlreich, daß es praktisch unmöglich ist, sie immer alle einzuhalten. Wer sie aber vernachlässigt, fordert den Zorn der beleidigten Erscheinungen in der Umgebung heraus. Dieser Zorn richtet sich auf den Fehlbaren. Er macht ihn krank. Wenn es den Medizinmännern nicht gelingt, die beleidigten Erscheinungen wieder zu versöhnen, sucht die Seele Zuflucht bei den Ahnen, und der Mensch muß sterben. 

Reimar Schefold, aus „Die Wildnis als Kultur des Jenseits“,
Vortrag Indonesien Kolloquium Passau, 1987