PLOSCHTSCHAD WOSSTANIJA

Platz des Aufstandes
St. Petersburg, 2000

Julian Heynen: Noch mehr als bei den Bushaltestellen stehen hier Menschen im Mittelpunkt. Es sind eigentümliche Szenen: Momentaner Stillstand im Transit. Deine Bilder betonen diesen Moment. Manchmal wirken die Menschen wie eingefroren, fast wie Wachsfiguren. Man könnte sich auch fragen, ob diese Gruppen gestellt, arrangiert sind. 

Ursula Schulz-Dornburg: In dem zufälligen Sekundenbruchteil auf der Rolltreppe hat sich ein Zeitraum eingenistet, der in mehrfacher Weise ein Transit-Raum ist. Es ist nicht nur die Zone von hier nach da auf einem Alltagsweg, sondern die lange Zeit- und Lebensstrecke der gesellschaftlich-politischen Transformation nach dem Ende der Sowjetunion. 

JH: Unterschwellig erscheinen die Akteure als Verkörperung eines womöglich bedeutenden Vorgangs. Man kann gar nicht so genau sagen, ob sie auf der Rolltreppe nach unten oder nach oben fahren. 

USD: Richtig, diese Verunsicherung hat mich interessiert. Genauso wie der Eindruck, dass einige aus dem Bild hinauszufahren scheinen.

JH: Vielleicht kann man deinen von der zeitgenössischen Kunst sensibilisierten Blick auf die Dinge auch hier finden. So wie du architektonische Objekte in der Wüste isoliert als minimalistisch wahrnimmst, erscheinen auch hier die Einzelfiguren und Gruppen wie hyperrealistische Skulpturen. Der bildliche Effekt davon ist, dass die Präsenz dieser Dinge gesteigert wird.

 

„Die Vertikale der Zeit“, aus Gesprächen zwischen Ursula Schulz-Dornburg und Julian Heynen im Dezember 2017 und Januar 2018.

 

Ploschtschad Wosstanija ist eine zentral gelegene Hauptstation der Linie 1 des St. Petersburger Metrosystems, in einer Tiefe von 58 Metern gelegen. Darüber befindet sich der Platz, der ihr den Namen gibt und den er selbst seit 1918 trägt: „Platz des Aufstandes“. Während der Februarrevolution von 1917 war dies einer der Hauptorte, an denen sich die Volksproteste in St. Petersburg manifestierten.